„Der Hunger nach Gemeinschaft und Zusammensein ist groß“, das beobachtet Brendan Rau vor allem in letzter Zeit. Er ist Leiter des Rheindorfer Ladens in Leverkusen, einem Kooperationsprojekt der Katholischen Jugendagentur LRO, der Stadt Leverkusen und der Caritas. Der Rheindorfer Laden ist eine Besonderheit: Er liegt im Zentrum und sieht seinem Schaufenster wie eins der anderen Geschäfte drumherum aus, aber er ist keins. „Wir sind ein Treffpunkt und auch eine Hilfestation“, erklärt Brendan, „bei uns können Familien mit kleinen Kindern zusammenkommen und sich wohlfühlen. Zusätzlich bieten wir Beratung an, die die Mütter und Väter unkompliziert nutzen können.“
Zu den Veranstaltungen gehören zum Beispiel das Elternfrühstück für junge Familien oder die Spielgruppen für Eltern mit Kindern bis drei. Es gibt einen Offenen Nähtreff für Erwachsene, aber auch die Schuldnerberatung oder die Beratungssprechstunde für Familien mit Migrationshintergrund.
Diese Mischung aus entspanntem Zusammensein und Beratung funktioniert gut. Manche Eltern kommen zum Elternfrühstück um sich auszutauschen, während die Kinder in der Spiel-Landschaft toben. „Andere haben Themen, die sie beschäftigen. Sie sprechen sie an, und dann können wir uns ins Nebenzimmer für ein Beratungsgespräch zurückziehen“, erklärt Diplom-Sozialpädagogin Julia Schlömer. Manchmal geht es darum, dass die Familie einen Brief vom Amt bekommen hat, den sie nicht versteht. Oder eine Mutter ist bei einem Erziehungsthema unsicher und will wissen, warum ihr Dreijähriger in letzter Zeit so eifersüchtig ist.
Nach fast zwei Jahren in der Pandemie können die Mitarbeiter des Rheindorfer Ladens Veränderungen bei ihren Besuchern spüren. „Wir merken, dass Eltern von kleinen Kindern dringend mehr Austausch und Rückhalt brauchen. Unsere Veranstaltungen sind sehr gut besucht. Dann müssen wir schon einmal Mütter mit Kindern auf das Elternfrühstück in der nächsten Woche vertrösten“, erläutert Brendan, „einfach, damit jeder mal drankommt.“
Der Andrang erklärt sich auf der einen Seite, weil in den Rheindorfer Laden jeder kommen kann. „Wenn jemand nicht geimpft ist, dann bieten wir Selbsttests vor der Tür an“, berichtet Daniela Ahrens-Gieseking, die hier als Diplom-Psychologin arbeitet.
Zum anderen ist der Zulauf zum Rheindorfer Laden deshalb sehr groß, weil viele Familien wegen Corona in Krisen geraten sind. „Das hören wir bei den Gesprächen“, erklärt Julia Schlömer.
„Man spürt die Erschöpfung in den Familien, manchmal auch Depression“, beobachtet Brendan Rau, „die Eltern sind viel mehr bei der Betreuung der Kinder gefordert, und das schon lange.“ Mütter und Väter selbst haben dafür weniger Kontakt mit anderen Erwachsenen, die auch mal entlasten könnten. Freunde, Großeltern oder andere Familienmitglieder – alle haben sich seltener getroffen. „Das gilt nochmal besonders für Familien mit Angehörigen im Ausland. Diese Menschen haben sich jetzt manchmal zwei Jahre lang nicht gesehen“, berichtet er.
Manche Familien sitzen wegen Quarantäne Zuhause fest. Auch dann bleibt alles an den Eltern hängen. „Da wird den Kindern schnell mal das Handy zum Spielen in die Hand gedrückt. Die Zeit, die die Kinder vor Computer oder Handy verbringen, ist wie ein Gradmesser für die Belastung der Familien“, weiß Brendan. Dann auch noch Raum für ältere Geschwister schaffen, die Ruhe brauchen, um ihre Hausaufgaben zu machen. Das zehrt an den Kräften.
Auch Schulen und Kitas arbeiten jetzt schon lange am Limit, müssen Testungen durchführen oder digitalen Unterricht ermöglichen. Über allem hängt das Bemühen, dass sich so wenig Menschen wie möglich in den öffentlichen Gebäuden begegnen. So sehen Eltern und Pädagogen sich selten. Was sonst mal schnell im kurzen Austausch mit der Erzieherin zwischen Tür und Angel geklärt werden konnte, bleibt einfach unausgesprochen.
Das alles ist den Eltern anzumerken. „Manchmal gehen Eltern auf dem Zahnfleisch“, beschreibt Daniela Ahrens-Gieseking. „Hier im Rheindorfer Laden wird allen bei kleineren und größeren Sorgen geholfen. Die Eltern merken: ‘Hier werde ich mit meinen Problemen ernst genommen.‘ Das ist unsere Philosophie hier. Dieses wertschätzende Miteinander leben wir auch als Team von Kolleg*innen im Laden.“